Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge

Gemeinden erstellen und erhalten die Infrastruktur unserer Städte. Diese Bauwerke müssen finanziert werden! Der Gesetzgeber hat dazu die Möglichkeit geschaffen, dass die Gemeinden die Nutznießer an den Kosten beteiligen: Die Strassenausbaubeiträge. Fast alle Bundesländer haben die Möglichkeit geschaffen, dass die Gemeinden diese Beiträge erheben. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Die Kosten werden bei der Baumaßnahme an die Besitzer der Grundstücke umgelegt (Strassenausbaubeiträge) oder die Kosten werden auf alle Besitzer eines Gebietetes verteilt (Wiederkehrende Strassenausbaubaubeiträge).

Seit 1. Januar 2024 ist die Wiederkehrende Abrechnungsweise bei allen Kommmunen in Rheinlandpfalz verpflichtend. Die CDU hat hier in Unkel gefordert, die Wiederkehrenden Beiträge abzuschaffen, weil das angeblich für uns Bürger von Vorteil sei. Aber stimmt das wirklich? Schauen wir uns die Behauptungen der CDU doch mal im Details an!

Behauptung: Die monetäre Belastung wird niedriger, wenn das Land den Straßenausbau direkt fördert

Es ist richtig, dass man die Belastung gut nachvollziehen kann, man bekommt ja von der Gemeinde einen Beitragsbescheid. Aber wird es weniger, wenn das Land, das für uns übernimmt? Zuallerunterst, wieso sollte das so sein? Das Geld, was der Staat da verteilt, wird wieder von uns Bürgern aufgebracht. Es bedeutet, dass RLP irgendwelche Steuern oder Abgaben erhöhen muss, um die Forderungen der Städte begleichen zu können. Das Ganze ist also bestenfalls: Linke Tasche rechte Tasche. Dazu kommt, dass wir alle dann für alle Straßenbaumaßnahmen herangezogen werden. Wenn jetzt eine große Stadt in Rheinlandpfalz ein tolles Prestigeprojekt wie Stuttgart 21 umsetzt, zahlen wir alle automatisch mit. Es wird also mitnichten billiger. Es wird im Schnitt für jeden Haushalt teurer. Man rechnet für jeden Haushalt mit Steuererhöhen über 40 € pro Monat. Wenn ich unsere persönlichen Straßenbaubeiträge umrechne, komme ich auf ca. 30 € pro Monat Belastung für die Jahre 2022 und 2023. 2024 wird aller Voraussicht nach wieder weniger, weil ein Großteil der Straßenbaumaßnahmen für die Siebengebirgsstraße - durch die im Übrigen ein großer Teil unseres Abwassers in Richtung Kläranlage fließt - abgegolten ist, sinkt die monatliche Belastung für meine Familie und mich wieder unter 30 € pro Monat. Und ich habe schon ein relativ großes Haus.

Lasst euch also nicht ins Bockshorn jagen, wer die Umlage über Steuern fordert, sind meist die Menschen mit einem großen Haus und hohem Einkommen. Diese wollen unser aller Kosten auf alle Verteilen, was bedeutet, dass die Armen mehr und die Reichen weniger bezahlen. Denn wer über ein oder sogar mehrere große Häuser verfügt, wird natürlich mit der aktuellen Regelung mehr belastet, als wenn wir das per Steuerlast auf alle Verteilen. Prima für die Reichen, schlecht für die Besitzlosen.

An NRW ist noch interessant, dass NRW das am höchsten verschuldete Bundesland ist und jährlich Ausgleichszahlungen aus dem Länderfinanzausgleich erhält. Damit dürfen wir in Rheinlandpfalz Strassenbauprojekte in NRW mitfinanzieren.

 

Behauptung: Alle anderen Bundesländer hätten die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge abgeschafft

Das ist falsch!  In jedem Bundesland gibt es dazu unterschiedliche Regelungen, die teilweise auch aus politischen Vorgaben resultieren (z. B. Wiedervereinigung, angst das es zum Wahlthema wird,...). Hier die Übersicht:

 

Bundesland Regelung Was würde eine solche Regelung für Unkel bedeuten Schulden Sep. 2023 in Mio.€ Einwohner Verschuldung pro Einwohner
Baden-Württemberg Erhebt seit Gründung keine Beiträge. Die Gemeinden beantragen zuschüsse bei Regierungspräsidenten. 2023 waren 127 Mio. € im Budget. Wie sieht es hier mit der Gemeindeverschuldung aus? 42.106 11280257 3.733
Bayern In Bayern wurde die seit 1974 bestehende Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit Wirkung zum 01.01.2018 abgeschafft. Jede Kommune kann aber Wiederkehrende Strassenbaubeiträge einführen.

Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 17.646 13369393 1.320
Berlin In Berlin gab es nur von 2006 bis 2011 Straßenausbaubeiträge. Das Straßenausbaubeitragsgesetz wurde im Jahr 2012 wieder aufgehoben. Seitdem konnten sich Gemeinden nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern statt für einmalige auch für wiederkehrende Straßenausbaubeiträge entscheiden. Ist ein stark verschuldeter Stadtstaat! Das kann keine Vorlage für RLP sein! 63.158 3755251 16.819
Brandenburg In Brandenburg wurden die Straßenbaubeiträge, wie sie dort bezeichnet werden, im Juni 2019 mit Wirkung ab Jahresanfang abgeschafft. An die Stelle bekommen die gemeinden eine Pauschale pro Strassenkillometer und Jahr. Führt in der Gemeinde zu höherer Verschuldung oder schlechteren Strassen. 20.037 2573135 7.787
Bremen In Bremen sollen die Gemeinden Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge erheben. Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 22.713 684864 33.164
Hamburg Keine. Ist der Stadtstaat mit der zweithöchsten Verschuldung! 33.544 1892122 17.728
Hessen Jede Kommune kann wiederkehrendebeiträge erheben, für finanzschwache Kommunen seit 2018 Pflicht. Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 39.492 6391360 6.179
Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern wurden für Straßenausbaumaßnahmen, die vor dem 01.01.2018 begonnen wurden, Straßenausbaubeiträge erhoben. Für alle späteren Maßnahmen wurden sie im Juni 2019 abgeschafft. Die Kommunen erhielten für die Jahre 2018 und 2019 eine direkte Erstattung der Beitragsausfälle, ab 2020 eine pauschale Mittelzuweisung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. 

Im ersten Jahr dieser pauschalen Kompensation stellten viele Kommunen fest, dass dieser Ausgleich bei weitem nicht ausreicht. So erklärte der Bürgermeister von Ludwigslust, Reinhard Mach, dass die Gemeinde nur etwa ein Drittel der Summe bekomme, die sie bisher im Schnitt pro Jahr über die Straßenausbaubeiträge eingenommen hatte.

Wäre eine Katastrophe für die Gemeindefinanzen. 7.300 1628378 4.483
Niedersachsen Im niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (KAG) sind Straßenausbaubeiträge in $ 6 in Form einer Kann-Bestimmung enthalten. Auch in Niedersachsen stehen - wie in anderen Bundesländern - Straßenausbaubeiträge schon länger in der Kritik.[1] Dem versuchte der Landtag zu begegnen, indem er im April 2017 das KAG durch einen neuen §6c ergänzte. Danach können Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen auch als wiederkehrende Beiträge erhoben werden. Regelung würde zu Wiederkehrenden Beiträgen führen. 60.558 8140242 7.439
Nordrhein-Westfalen Abgeschafft. Für das Jahr 2024 sind im Haushalt 65 Mio. € eingeplant. Ist das genug? Wie die Finanzierung erfolgt ist noch nicht gesichert. Zudem müssen hier die Gemeinden rückwirkend die Strassenbaubeiträge zurückzahen. Das blockiert einen Teil der Gemeindeverwaltung Führt mit Sicherheit zu mehr Schulden in der Gemeindekasse oder zu schlechten Strassen. 177491 18139116 9.785
Rheinland-Pfalz Hat für alle Gemeinden verbindlich auf Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge umgestellt . Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 26358 4159150 6.337
Saarland Im Saarland können Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge von den Gemeinden erhoben werden. Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 13.027 992666 13.123
Sachsen Im Sachsen Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge von den Gemeinden erhoben werden. Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 5.742 4086152 1.405
Sachsen-Anhalt Hat für alle Gemeinden verbindlich auf Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge umgestellt . Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 22.417 2186643 10.252
Schleswig-Holstein Im Schleswig-Holstein können Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge von den Gemeinden erhoben werden. Regelung würde zu wiederkehrenden Beiträgen führen. 31.517 2953270 10.672
Thüringen Gibt es seither eine feste zuteilung des Landes. Der thüringische Rechnungshof hat bereits moniert, daß die Z.uweisungen zu niedrig sind. Ein System würde unsere Gemeinden in größere finanzielle Schwierigkeiten bringen als es jetzt schon ist. 15.353 2126846 7.219

 

!!! Mit den Regelungen in 9 von 15 Bundesländern würde Unkel heute wiederkehrende Straßenausbaubeiträge erheben. !!!

 

Wie man die politische Forderung umsetzen möchte, ist peinlich schlecht und zeugt von politischen Unverständnis gepaart mit Aktionismus!

Für die Änderung des Gesetzes über die Straßenbaubeiträge sind die Länder zuständig! Eine Petition auf einer privaten Internetplattform wie Openpetion.org an den Landrat ist vertane Zeit. Wenn jemand solche eine politische Forderung umsetzen möchte, sollte er doch wenigstens seine Petition an das jeweils zuständige Gremium - hier: der Landtag - wenden. Zudem hat der Landtag eine eigene Petitionsplattform im Internet. Die es auch für Petitenten einfacher macht, seine Petition umzusetzen. Warum die unkeler CDU dann solch einen abstrusen Weg geht, ist mir absolut schleierhaft.

 

Die Vorteile der wiederkehrenden Straßenbaubeiträge für die Städte und Gemeinden

Die Abschaffung der wiederkehrenden Straßenbaubeiträge ist für die Städte und Gemeinden ein großer Nachteil. Der Gestaltungsspielraum - der heute eh' schon gering ist - wird durch Umlagesysteme nicht besser. Die Länder, die eine Pauschale für die Gemeinden eingeführt haben, haben einfach nur die Gemeinden unterfinanziert. Das heißt: Entweder die Straßen werden schlechter oder die Verschuldung der Gemeinden steigt. Damit hat eine Gemeinde noch weniger finanziellen Spielraum als sie heute schon hat.

 

Ist die Forderung überhaupt kurzfristig umsetzbar?

Wie man in NRW leicht sehen kann, hat die überstürzte Abschaffung der Straßenausbaubeiträge politisches Chaos erzeugt. Dazu kommt, dass die verbindliche Finanzierung durch die Landesregierung gerade erst Anfang 2024 eingeführt worden ist. Eine Abschaffung in dieser Legislaturperiode wird es nicht geben.

 

Zusammengefaßt

Wer die Abschaffung der Strassenausbaubeiträge fordert:

  • will uns mehr Geld aus der Tasche ziehen, da die Refinanzierung auf Landesebene ja wieder durch Steuern finanziert werden muss,
  • möchte uns an Projekten anderer Gemeinden beteiligen und
  • möchte uns an Projekten in anderen Bundesländern beteiligen.

 

Zum Kommunalwahlkampfthema eignen sich die Strassenausbaubeiträge nicht, da man mit kommunalen Mitteln nichts an der Erhebung ändern kann und man schränkt die Selbstverwaltungsmöglichkeiten der Gemeinden weiter ein.

 

Verweise